Am 30. März dieses Jahres ist mein lieber, väterlicher Freund, Dr. Julius Brachetka im 96. Lebensjahr verstorben. Dr. Brachetka, selbst ein eifriger Sammler antiker Uhren und Turmuhren, hatte als Erster die Idee, in Aschau ein Museum für Turmuhren zu gründen. So kamen 2002 seine Wand- und Turmuhren durch Schenkung in die Sammlung Komzak und bildeten damit den Grundstock der Exponate der Uhrenstube Aschau. Seine Uhren nehmen nunmehr in der Uhrenstube Aschau als „Sammlung Dr. Julius Brachetka“ einen eigenen Platz ein. Dr. Brachetka zeigte trotz seines hohen Alters immer reges Interesse an den Geschehnissen der Uhrenstube Aschau und unterstützte meine Museumsarbeit durch seine Anregungen und oft unkonventionellen Ideen. Mein Dank und das Andenken an ihn wird stets mit dem Museum und den Freunden der Uhrenstube Aschau verbunden sein.
Dr. Julius Brachetka wurde am 3. Jänner 1916 in Wien geboren. Er studierte Veterinärmedizin an der Wiener Tierärztlichen Hochschule, wo er 1939 zum Dr. med. vet. promovierte. Er verbrachte die Kriegsjahre als Assistent an der Universität Königsberg und wurde 1945, im Alter von nur 29 Jahren zum Leiter des Tiergartens Schönbrunn berufen. Er gilt als dessen Retter, da er die Menagerie nach deren Bombardierung, die ebenso wie Wien in Schutt und Asche lag, in dieser schweren Zeit wieder aufbaute.
In seine Dienstzeit fiel das 200-jährige Bestandsjubiläum des Tiergartens, das mit einer Festschrift und einer Ausstellung im Schloss Schönbrunn gefeiert wurde. Mit einer Publikation über die Geschichte des Tiergartens, die 1947 im Eigenverlag erschien, mediengerechten Auftritten, teilweise in Begleitung von Schönbrunner Tieren, verstand es Brachetka, Presse und Besuchern die Attraktionen des Tiergartens näher zu bringen. Im Jahr 1958 verließ Brachetka den Tiergarten Schönbrunn und arbeitete in der Folge bis 1980 als Grenztierarzt in Nickelsdorf/ Hegyeshalom. In dieser Zeit konnte er auch die barocke Turmuhr der Kirche von Nickelsdorf, ein Prunkstück der Sammlung der Uhrenstube Aschau und heute deren Logo, vor der Verwertung als Alteisen retten.
1992 übernahm der promovierte Tierarzt Dr. Helmut Pechlaner die Führung des Tiergartens von Schönbrunn. Sein professionelles Management, gepaart mit wirksamer Öffentlichkeitsarbeit machten seine charismatische Persönlichkeit zum Markenzeichen und Sympathieträger für die Anliegen des Zoos und der Tierwelt im Allgemeinen. Dr. Pechlaner, erkannte bald, daß der Fortbestand des Tiergartens Schönbrunn nach 1945 nur dem außerordentlichen diplomatischen Geschick und persönlichen Engagement Dr. Julius Brachetkas zu verdanken war. Diese Erkenntnis führte zu einer Freundschaft der beiden, die bis zuletzt von hohem gegenseitigem Respekt und Anerkennung geprägt war.
Dr. Julius Brachetka war aber auch ein kreativer, vielseitiger Schöngeist – als Musiker und auch als Historiker. 1934 komponierte er die Operette „Sinotschka“, die sowohl im Kursalon Baden bei Wien, als auch im Schönbrunner Schloßtheater zur Aufführung kam, später komponierte er auch Walzer, Märsche, Polkas, u.a. die Schönbrunner Bärenpolka und die Gabrielen Sonate – eine Verbeugung des Verehrers schöner Frauen an Gabriele Pechlaner. Oft habe ich Dr. Brachetka erlebt, wie er neue musikalische Eingebungen vor sich hin gepfiffen hat und dabei seine ganze Umwelt vergaß. Aber auch seine historischen Forschungen, Publikationen und Referate zum Thema „offizielle Darstellung der Ereignisse am Ende des 1. Weltkrieges und deren Auswirkungen“ fanden in einschlägigen Fachkreisen hohe Beachtung.
Das Schaffen Dr. Julius Brachetkas wurde aber auch öffentlich gewürdigt. 1982 wurde ihm in Anerkennung seiner Verdienste um die Rettung des Tiergartens Schönbrunn das Goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich verliehen. 1994 erhielt er das Doppeladlerkreuz in dankbarer Würdigung der hervorragenden Verdienste um die Wahrung der Geschichte Österreichs – diese Ehrung erfolgte durch Dr. Michael Salvator Habsburg-Lothringen.
Mein lieber Freund Dr. Julius Brachetka ist nicht mehr – umso mehr aber bleibt sein Wirken für uns erhalten. Seine Persönlichkeit, seine kreativen, oft sehr unkonventionellen Ideen, sein starker Wille und seine Geradlinigkeit, gepaart mit diplomatischem Geschick, mit dem er seine Ideen und Visionen durchsetzte und gleichzeitig die Wärme und Menschlichkeit mit der er seinen Mitarbeitern und Freunden begegnete, wird uns immer in Erinnerung bleiben.
Wolfgang Komzak
Wien – Aschau