In der Uhrenstube Aschau ist eine interessante Turmuhr aus der Sammlung Dr. Julius Brachetka zu sehen, die Turmuhr der Kirche von Miesenbach/Stmk..
Das Werk mit Stiftenhemmung, Stunden- und Viertelstundenschlag ist im ersten Drittel des 19. Jhs. entstanden. Es hat ein Gestell aus gezogenem Flacheisen, ist also nicht geschmiedet. Während alle Räder des Gehwerkes, sowie die Herzräder der beiden Schlagwerke noch konventionell geschmiedet sind, bestehen deren Hebstiftenräder aus Gußeisen.
Sowohl die Verwendung von gezogenem Flachstahl, als auch die gegossenen Hebstiftenräder stellen damit einen für diese Zeit höchst fortschritllichen Übergang der konstruktiven Entwicklung des Turmuhrenbaues (gezogenes Flacheisen, ab etwa 1800) vom Spätbarock zum frühen Industriezeitalter dar.
Eine Bezeichnung von Meister und Ort der Herstellung ist an diesem Werk nicht erkennbar.
In der ausgezeichneten Publikation von Lukas Stolberg, „Die steirischen Uhrmacher“ findet sich ein Bild der Turmuhr in Gratwein bei Graz, die mit „Amdres Berthold, Uhrmacher in Gnas 1823“ bezeichnet ist. Die gleichen konstruktiven und vor allem stilistisch-formalen Merkmale finden sich auch bei der Turmuhr aus Miesenbach, die heute im Museum der Uhrenstube Aschau zu sehen ist, wobei die Turmuhr aus Gnas sicher früher entstanden sein dürfte.
Eine weitere Uhr vom gleichen Typ konnte in der Kirche von Neudau/Stmk. gefunden werden, die noch heute in Betrieb steht. Auch hier finden sich sowohl konstruktive, als auch die charakteristischen, stilistisch-formalen Merkmale der Arbeit von Amdres Berthold. Diese Uhr hat an ihren Gestellpfeilern eine angekeilte Bekrönung mit Rollwerk in spätbarockem Stil.
Dem Uhrmachermeister Hans Paulus aus Pöllau/Stmk. sind weitere Informationen zu den Arbeiten des Turmuhrmachers Amdres Berthold zu verdanken. Er hat die Turmuhr des Stiftes Vorau eingehend untersucht und konnte dabei mit Hilfe des Archivars des Stiftes feststellen, daß das sicher noch ältere Turmuhrwerk von einem Uhrmachermeister aus Pöllau namens Fuchs 1756 unter Verwendung älterer Uhrwerksteile umgebaut wurde. Bei einem weiteren Umbau Anfang des 19. Jhs. wurde dann das komplette Gehwerk ausgebaut und mit einem neuem Werk mit Stiftenhemmung versehen. Obwohl diese Veränderung weder bezeichnet, noch signiert ist, trägt sie eindeutig den für Berthold typischen Stil. Auch diese Uhr steht noch heute problemlos in Betrieb.
Ich erhielt von Herrn Michael Schmid aus Stegersbach ein Foto der Turmuhr der Wallfahrtskirche Maria Straßengel in Straßengel/Stmk. Es zeigt ein Werk aus der 2. Hälfte des 19. Jhs. bei dem sowohl das Gestell wie auch das Räderwerk aus Gußeisen besteht. Auch diese Uhr ist mit einer Stiftenhemmung ausgestattet und entspricht in seiner einfachen, formalen Gestaltung der Konstruktion dem Stil der industriellen Produkte dieser Zeit. Auf dem Bild ist deutlich die am Gestell mitgegossene Bezeichnung „Berthold – Ehrenhausen“ zu sehen.
Laut „DEHIO – Steiermark“, Handbuch der Kunstdenkmäler Österreichs, Wien 1982, wurde der Turm der Kirche 1868 – 1870 ausgebessert. In dieser Zeit wird auch das Turm-uhrwerk angeschafft worden sein.
Es liegt daher der Schluß nahe, daß es sich hier um eine Familie von Uhrmachern handelt, die im 19. Jahrhundert tätig war und während dieser Zeit von Gnas nach Ehrenhausen (beides Orte in der Südsteiermark) übersiedelt ist, oder deren Angehörige in beiden Orten gleichzeitig als Turmuhrmacher tätig waren.